Von Ingrid Ewering / Jeder kennt die Rezepte aus dem Apothekenalltag: Der Arzt möchte ein Fertigarzneimittel mit einer ihm bekannten Grundlage strecken, um die Rezeptur an die individuellen Bedürfnisse des Patienten anzupassen. Auch für solche Verordnungen gilt die Apothekenbetriebsordnung (ApBtrO), das heißt, der Herstellende muss ihre Plausibilität überprüfen und dokumentieren. Doch was ist dabei zu berücksichtigen?
Die Haut der kleinen Margot ist großflächig entzündet und mit den sonst in Rezepturen für Kinder üblichen Glucocorticoiden nicht therapierbar. Mittel der ersten Wahl für die kleine Patientin ist aus medizinischer Sicht der Wirkstoff Prednicarbat. Dermatologen schätzen die gute Wirksamkeit und das geringe Nebenwirkungspotenzial der Dermatop® Reihe mit dem Wirkstoff Prednicarbat bei entzündlichen Hauterkrankungen. Das Arzneimittel ist zugelassen für die Therapie von Kleinkindern. Bei der 19 Monate alten Margot reicht eine niedrige Wirkstoffkonzentration und die Haut benötigt zusätzlich mehr Fett, als das Fertigarzneimittel Dermatop® bietet. Deshalb schreibt der Hautarzt eine Rezeptur auf (siehe Abbildung).
Die Verordnung ist nicht korrekt: Nach Arzneimittelverschreibungsverordnung muss der Arzt eine Gebrauchsanweisung auf dem Rezept vermerken. Außerdem hat er die Dermatop-Grundlage nicht eindeutig angegeben: Es gibt Creme, Salbe und Fettsalbe mit jeweils 2,5 mg Prednicarbat pro 1 g Grundlage. Da die Wirksamkeit der Salbe eine andere ist als die der Creme oder Fettsalbe, muss die Art der Grundlage eindeutig aus der Verordnung hervorgehen. Also ist eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich. Das Gespräch mit Dr. Dermus könnte folgendermaßen verlaufen:
Apothekerin: »Meine PTA machte mich auf folgendes Problem bei der Verordnung für Margot Musterfrau aufmerksam: Das aufgeschriebene Fertigarzneimittel Dermatop gibt es als Creme, Salbe oder Fettsalbe. Welche soll denn eingesetzt werden? Außerdem fiel ihr auch noch auf, dass die Gebrauchsanweisung fehlt.« Dermus: »Ich verstehe das Problem nicht. Bei Dermatop gibt es eine Packungsbeilage. Dort kann die Anwendung nachgelesen werden. Es soll die Salbe sein.«
Freundlich möchte die Apothekerin auf die Arzneimittelverschreibungsverordnung hinweisen, doch der Arzt hat bereits recht zügig das Telefonat beendet. Dieses Beispiel zeigt, dass es in vielen Fällen sinnvoller ist, schriftlich Rücksprache zu halten. Das NRF bietet dem Apothekenteam dazu vorgefertigte Kommunikationsbögen. Die Apothekerin ergänzt einen solchen Vordruck entsprechend (siehe Seite 18).
In diesem Fall ergänzt der Arzt Dermatop-Salbe und akzeptiert die vorgeschlagene Gebrauchsanweisung. Die Rezeptur kann somit angefertigt werden, da die weitere Plausibilitätsprüfung keinerlei Inkompatibilitäten ergibt. Der Kommunikationsbogen genügt der gesetzlichen Dokumentationspflicht. Lediglich die Herstellung muss noch festgelegt und dokumentiert werden. Die beiden W/O-Cremes sind ohne Wärmeanwendung mischbar.
Standardisierte Rezeptur des NRF
NRF Nr. | Bezeichnung | Grundlage | Formulierungstyp |
---|---|---|---|
11.144. | Hydrophile Prednicarbat Creme 0,08 % / 0,15 % / 0,25 Propylenglycol als konservierendes Agens | Basiscreme DAC mit zusätzlichem Wasseranteil Anreibemittel: mittelkettige Triglyceride | Suspensionszubereitung pH-Wert circa 6 der fertigen Rezeptur entspricht dem pH-Wert der reinen Grundlage |
Problemfall Creme
Hätte der Arzt jedoch die Creme ausgewählt, wäre der Fall komplizierter. Beim Mischen der hydrophilen Creme (O/W-Emulsion) mit der lipophilen Markengrundlage (W/O-Emulsion) trennen sich die Phasen. Ursache ist die Konkurrenz der enthaltenen Emulgatoren. Die Wollwachalkohole aus der wasserhaltigen Eucerin®-Grundlage möchten die Wasserphase nach innen verbannen; das Polysorbat 60 aus der Dermatop-Creme dagegen nach außen. Daher bricht das System. Fatalerweise zeigt sich diese Instabilität bei Verwendung von elektrischen Rührsystemen erst verspätet. Die hohen Zerschlagungskräfte der Rührsysteme verteilen die Wassertröpfchen so fein, dass diese erst später zusammenlaufen und sich als Wasserfilm auf dem Fett absetzen.
Es gilt der Merksatz:Mische nie unterschiedliche Emulgatoren! Auch, wenn die Inkompatibilität nicht sofort erkennbar ist.
Im Gespräch mit der Apothekerin ist dem Arzt klar geworden, dass bei Kombination von Eucerin cum aqua und der Dermatop-Creme ein Vielstoffgemisch entsteht. Eucerin cum aqua bringt vier Bestandteile mit: Wasser, weiße Vaseline, Cetylstearylalkohol und Wollwachsalkohole. Dermatop-Creme enthält acht Zutaten neben dem Wirkstoff Prednicarbat. Aber was soll er machen? Er kennt kein Prednicarbat als Reinsubstanz.
Doch Prednicarbat ist als mikronisierter Arzneistoff über den Großhandel zu beziehen. Diese Information kann der Mediziner nur vom Apotheker erhalten. Der Apothekenleiter hat nach ApBtrO eine Informations- und Beratungspflicht gegenüber dem Arzt. Also könnte die Apothekerin dem Arzt die Alternative vorschlagen, anstelle der lipophilen Verdünnungsrezeptur Prednicarbat in hydrophober Basiscreme DAC zu verordnen. Für eine hydrophile Creme enthält das NRF 2014/1 eine standardisierte Rezepturvorschrift unter NRF 11.144 (siehe Seite 18).
Laut pädiatrischer Dosisempfehlungen ist bei Kindern von 6 bis 12 Monaten Prednicarbat in der Dosierung 0,125 % einzusetzen. Genau diese Konzentration hat Dr. Dermus für die 19 Monate alte Margot ausgewählt. Die Dosisreduktion ist also plausibel. Da Basiscreme DAC keine sauren oder basischen Bestandteile enthält, muss der rezeptierbare pH-Bereich des Wirkstoffes nicht berücksichtigt werden. Die Rezeptur ist plausibel und die PTA kann die NRF-Herstellungsanweisung im Wesentlichen übernehmen. Sie muss lediglich die Wirkstoffkonzentration anpassen, und die Wasser- und Propylenglykolzugabe entfällt.
Qualitätsbestimmende Herstellungsschritte
Der wichtigste Faktor für die Qualität jeder Suspensionszubereitung ist die gleichmäßige Wirkstoffverteilung. Würde das mikronisierte Prednicarbat mit der extrem kleinen Korngröße von 5 µm direkt mit der Basiscreme DAC angerieben, würde der extrafeine Arzneistoff verklumpen.
Je feiner die Korngröße, desto größer ist die Gefahr der Agglomeratbildung. Stattdessen muss Prednicarbat wie alle anderen mikronisierten Wirkstoffe sehr sorgfältig mit einer spreitbaren Flüssigkeit verrieben werden, damit die Teilchen in der öligen Flüssigkeit aneinander vorbeigleiten. So liegen die Wirkstoffpartikelchen einzeln in der fertigen Creme vor und können in die Haut penetrieren.
Als Anreibemittel wird das bereits in der Grundlage befindliche Miglyol®(Neutralöl = mittelkettige Triglyceride) eingesetzt. Zunächst entsteht eine Paste, die mit weiterem Öl verdünnt werden soll. Um Agglomerate besser zu erkennen, ist es sinnvoll, anstelle einer weißen Fantaschale eine aus rostfreiem Stahl zu verwenden.
Auch die Zugabe der Creme erfolgt in kleinen Einzelschritten. Zunächst müssen die mit Öl überzogenen Wirkstoffteilchen mit der äußeren Wasserphase Kontakt aufnehmen. Da die hydrophile Creme jedoch sehr fettreich ist, findet sie die Lipidbestandteile schnell. Dass Prednicarbat recht schwierig zu verteilen ist, beruht sicher auch auf seiner ungewöhnlich hohen Lipidlöslichkeit. Direkt nach der Herstellung liegt eine Suspension vor.
Da mit der Zeit aber immer mehr Arzneistoff in Lösung geht, ist die Herstellung mit einem elektrischen Rührsystem kritisch zu beurteilen. Durch die hohen Umdrehungszahlen entsteht Wärme. Dadurch geht mehr Wirkstoff in Lösung und kann beim Abkühlen auf Raumtemperatur zu großen Kristallen ausfallen (Rekristallisation). Auch ist fraglich, ob der Rührer diese geringe Wirkstoffmenge mit der extrem kleinen Teilchengröße homogen in der Grundlage verteilt.
Wegen der Löslichkeitsproblematik ist die Laufzeit (Haltbarkeit im ungeöffneten Primärpackmittel) lediglich drei Monate und ist identisch mit der Aufbrauchsfrist (Haltbarkeit nach Öffnen der Verpackung).
Beratung bei der Abgabe
In der Apotheke hergestellte Arzneimittel erhalten keine Packungsbeilage. Dies ist gerade bei sehr ängstlichen Patienten von Vorteil. Da Ärzte häufig »versteckt« Glucocorticoide verordnen, empfahl die deutsche Gesellschaft für Dermopharmazie, die Primärpackmittel mit »Cortisonhaltig!« zu kennzeichnen. Das NRF fordert zwar in älteren Vorschriften die Kennzeichnung, neuerdings kann der Hinweis aber entfallen.
Denn viel wichtiger als Aufschriften ist die kompetente Beratung bei der Abgabe der Rezeptur (Vorschlag siehe Kasten). Da die gefürchtete Hautverdünnung (Atrophie) erst nach zwei Wochen eintritt und nach vier Wochen nicht mehr rückbildungsfähig ist, wird die Haltbarkeit häufig mit vier Wochen angegeben. Das ist jedoch sachlich falsch: Haltbarkeit bedeutet die Gewährleistung eines galenisch, physikalisch und mikrobiell einwandfreien Zustandes der Rezeptur für einen definierten Zeitraum. /
Vorschlag für das Abgabegespräch
PTA: »Dies ist die verordnete Creme für Margot. Hat Ihnen der Arzt die Anwendung erklärt?«
Mutter: »Ja, aber ich weiß es nicht mehr genau. Ich glaube, sie soll einmal täglich auf die roten Hautstellen am Arm aufgetragen werden. Das ist aber fast der komplette Arm!«
PTA: »Ja, aber da ist die Haut krank. Dieser Wirkstoff darf großflächig angewendet werden. Es reicht jedoch, die Creme dünn aufzutragen. Sie sollte aber in die Haut eingerieben werden.«
Mutter: « Und wie lange muss ich die Creme anwenden?«
PTA: »Falls nach zwei Wochen keine Besserung eintritt, sollten Sie sich wieder bei Dr. Dermus melden. Besserung heißt zum Beispiel, dass Juckreiz und Rötung nachlassen. Tragen Sie die Creme bitte abends auf die Haut. Wenn Margot schläft, wird sie weniger kratzen. So bleibt die Creme auf den erkrankten Hautpartien.«
Mutter: »Ja, klingt vernünftig. Der Arzt sprach aber von vier Wochen!«
PTA: »Das kann sein. Ich bin lieber etwas vorsichtiger. Auch innerhalb von vier Wochen sind mit dieser Creme keine Probleme zu erwarten. Denken Sie bitte daran, die Hände vor dem Auftragen zu waschen. Danach bitte die Cremereste von Ihren Händen mit Wasser abspülen. Ihre Haut braucht den Wirkstoff nicht!«
Mutter: »Ja, da haben Sie Recht. Vielen Dank für die wertvollen Hinweise.«
- Außerdem in dieser Ausgabe...
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